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Kinder, Kinder....

Eska ingia oder mzungu angalia......

Wenn am Vormittag die großen Kids in der Schule sind, ist Platz für die Kleinen. In unserer Straße tummeln sich so einige ein bis drei Jährige. Auch wenn sie noch nicht sicher auf ihren Beinchen stehen, erkunden sie ihre Umgebung meist ohne die Mutter. Kinder sind hier viel früher selbständig und werden sich mehr oder weniger selbst überlassen. Die Eltern mischen sich nur selten ein, da kann es auch mal vorkommen, dass so ein Knirps eine ganze Weile brüllt ohne dass davon Notiz genommen wird.                                                                                                            Sobald ich die Tür meiner Veranda öffne um draußen einen Kaffee zu trinken oder eine Zigarette zu rauchen, kommen immer ein paar Jungster vorbei um bei uns zu spielen. Sie stehen vor der Veranda und bitten: Eska ingia ( Elske darf ich kommen, Elske kann nur mein Mann aussprechen, ansonsten bekommt das keiner hin.) So versammeln sich also  morgens meist  4 bis 6 Kinder auf der Veranda um zu spielen und mittlerweile auch gerne mit mir. Meinem Spracherwerb tut das sehr gut und ich lerne tatsächlich viel von ihnen. Sie mögen es, an mir herum zu turnen, zu hopsen oder auch mal auf meinem Schoß zu sitzen um mir durch die Haare zu wuseln. Mich anzufassen ist scheinbar nach wie vor wichtig, viele von ihnen haben noch nie einen weißen Menschen gesehen und man muss ja schließlich nachfühlen mit wem man es da so zu tun hat.“ Mzungu angalia“ ist noch ein Satz den ich sehr oft höre“, Mzungu schau mal“ und dann bekomme ich dazu eine Geschichte erzählt. Dass ich sie nicht verstehe, stört die meisten Kinder nicht, es reicht wenn ich einfach zuhöre. Witzig ist, dass sie mir soviel auf Suaheli erzählen und nicht merken, dass ich sie nicht verstehe oder sie ignorieren diese Tatsache einfach. Es rührt mich  sehr, wie diese Kinder mit mir umgehen und wie schnell sie Vertrauen fassen.                                                                                                                                                                         Es macht großen Spaß sie beim Spielen zu beobachten und ihre unterschiedlichen Charaktere zu erkennen. Da gibt es zum Beispiel Sophia. Sophia ist ca. 4, sie ist meist still nuckelt noch am Daumen, schielt ein ganz bisschen und wenn sie lächelt geht die Sonne auf, sie wird von allen geliebt und  wird oft am Tag von den Kindern gerufen und zum Spielen aufgefordert. Da ist Juma, er ist wohl knapp drei und ein richtiger Lausbub, er hat als erstes von den Kleinen zu mir Elske gesagt. Wenn Juma losbrüllt ist jeder wach. Und dann ist da noch Hassan. Er ist ziemlich frech und versucht auch schon mal nach mir zu hauen oder Grenzen total zu überschreiten. Wenn ich ihn mir dann unter den Arm klemme um nach draußen zu tragen staunen die anderen und er lacht sich kaputt. Mittags sitzt er mit seinem Töpfchen mitten auf dem Hof seiner Eltern um sein Geschäft zu machen, das dabei jeder zu schauen kann stört ihn scheinbar nicht und auch keinen anderen. Windeln hab ich hier noch nicht gesehen, sind die Kinder nass werden sie einfach umgezogen. Sie werden auch nicht angehalten, sich schmutzig zu machen. Sie spielen mitten auf dem Weg und benutzen ihn als großen Sandkasten, irgendwas finden sie, um es als Schaufel oder Eimer zu benutzen. Spielzeug ist so gut wie nie zu sehen, sie spielen mit dem, was sie so finden. Sie sind, wie gesagt, viel selbständiger als Kinder in diesem Alter in Deutschland.  Die Großen passen auf die Kleinen auf, helfen ihnen, tragen sie herum und tragen letztlich auch die Verantwortung. Wenn sie sich die Kinder untereinander schlagen, stört das niemanden, nur wenn das Gebrüll zu laut wird greift jemand ein. Auch ich habe gelernt mich nicht ständig einzumischen, aber es fällt mir oft schwer und hin und wieder ertappe ich mich dabei wie ich versuche eine Rotznase zu putzen oder ich tröste doch ein schreiendes Kleinkind. Manchmal, nicht mit erwünschter Wirkung, es gibt doch noch Kinder die Angst vor mir haben und Naseputzen ist völlig blöd, der Ärmel tut es auch.

Mittags kehrt ein wenig Ruhe ein, in der prallen Sonne mag keiner spielen.                                                                                                                            Kommen am späten Nachmittag die Großen aus der Schule dann ist die Sonne nicht mehr so stark und bis es gegen 19:00 dunkel wird gibt es Radau auf der Straße. Jetzt spielen alle draußen und das wilde Leben ist angesagt, die Kinder gehen nicht gerade zimperlich miteinander um, sie haben es nicht anders gelernt.                                                                                                                                                                                                    Eltern schlagen die Kinder ganz selbstverständlich und Lehrer stehen dem in nichts nach. Eine Tatsache mit der ich mich nach wie vor nicht abfinden mag. Kassim kam gestern mit dicken Striemen am Oberschenkel nach Hause, er hatte einen Teil seiner Hausaufgaben scheinbar nicht ordentlich genug gemacht. Dem Lehrer hätte ich  zu gerne das“ Amen in der Kirche“ erzählt, aber dazu reicht mein Suaheli bei weitem nicht aus.  Nächste Woche muss es wohl erneut ein Gespräch mit dem Direktor der Schule, meinem Mann und mir geben. Eigentlich müsste ich ein Video für die Lehrer drehen um zu zeigen wie die Kinder die Schule verarbeiten, sie spielen mit Vorliebe Schule, dabei ist einer immer der prügelnde Lehrer.

Auch wenn es unter den Kindern  sehr oft wild und chaotisch zu geht und sie so oft schmutzig sind, dass deutschen Eltern die Haare zu Berge stehen würden, sie sind um ihre Freiheit zu beneiden. Sie können sich ausprobieren, ohne ständig ermahnt zu werden. Nicht alles was sie an Dummheiten anstellen wird reglementiert, sie müssen keine komplizierten Verabredungen treffen, sie benötigen noch keinen Terminkalender und nebenbei lernen sie auch soziale Kompetenzen. Vielleicht könnten sie ein wenig mehr Zuwendung von den Erwachsenen gebrauchen, aber das zu beurteilen steht mir nicht zu. Und auch in Deutschland werden ja nicht alle Kinder gut versorgt geschweige denn gut behütet.  Es scheint einfach nicht üblich zu sein, sich mit Kindern zu beschäftigen oder gar zu spielen. Gut möglich, dass die kleinen Kinder deshalb gerne zu uns auf die Veranda kommen.       

Kassim und Mini haben gelernt, dass sie bei Dunkelheit nach Hause kommen müssen, wir essen dann Abendbrot, Duschen ist angesagt und ich bestehe auf eine regelmäßige Zeit um ins Bett zu gehen, da sie ja sehr früh aufstehen müssen. Da bin ich konsequent Deutsch, dass ist hier ein absolutes Novum. Die Kinder werden nicht ins Bett gebracht und auch noch spät am Abend sind sie zumindest zu hören.                          Ali sehe ich meist als letzten am späten Abend, ihn habe ich besonders in Herz geschlossen. Ein ganz ruhiger, schüchterner Junge, er wird so um die 14 Jahre alt sein und geht nicht zur Schule. Er arbeitet für sein Alter schon hart und ist trotzdem hilfsbereit. Er war der erste, der mich mit Namen ansprach. Er sagt es immer ganz leise und lächelt dabei. Er lächelt wie jemand der schon viel erlebt hat. Wir sagen einander“ lala salama“ und ich hoffe er geht wirklich schlafen.

 

Wenn ich mir hin und wieder einen Vergleich zwischen den unterschiedlichen Kulturen gestatte, stelle ich immer wieder fest, eine Mischung aus beiden wäre für alle perfekt.

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Kommentare: 1
  • #1

    EG BAM (Dienstag, 06 März 2018 22:17)

    Hallo liebe Elske, deinen Bericht habe ich wieder mit sehr viel Interesse gelesen. Welch ein reiches Leben führst du in deiner neuen Heimat - reich an Zuwendung und an Begegnungen mit Kindern. Es ist schon traurig, wie viele Kinder behandelt werden und auch von den Lehrern geprügelt. Das ist für uns unvorstellbar. Wie du in deinem letzten Satz schreibst, eine Mischung von beiden Kontinenten würde ein guter Schritt sein!
    Alles Gute und liebe Grüße
    ELKE mit FLÖCKCHEN