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Metumba: Second-hand-Ware aus Europa


Seit einem halben Jahr wundere ich mich nun schon über die riesigen Berge an Klamotten die hier überall angeboten werden. In Shops, neben neuen chinesischen Jeans oder T-Shirts, auf Leiterwagen quasi als Wühltisch, oder neben Tomaten und Kartoffeln auf dem Markt angeboten. Riesig ist eigentlich noch untertrieben, es wirkt gigantisch.                                                                                                                                                  Wie das so mit Anblicken ist, man gewöhnt sich daran und denkt nicht mehr groß darüber nach. Aber durch einen Zufall ist ein Thema dann doch wieder im Focus der Gedanken.                                                                                                                                                                                              Vorgestern waren wir unterwegs in Arusha, auf dem Rückweg kamen wir an einem Second-hand- Markt vorbei, den ich noch nicht wirklich wahrgenommen hatte. Eine Nebenstraße mit duzenden von Shops bieten hier Second-hand-Ware an. Sadat hatte eine Fototasche im Visier und handelte eine Zeitlang mit dem Verkäufer, so hatte auch ich Zeit mich ein wenig umzusehen. Vom Abendkleid bis zum BH findet man wirklich alles, sogar Wollhandschuhe und Mützen, Schuhe machen einen Großteil der Ware aus. Manches ist gereinigt, manches sieht ziemlich schmutzig aus. Manches ist ordentlich aufgehängt, manches liegt einfach so auf der Erde. Zuerst habe ich mich nicht  getraut die Sachen auch nur anzufassen, ich muss gestehen Second-hand war noch nie so mein Ding, aber nach einer Weile war ich dann doch dabei zu stöbern. Bei einer Frau wurde ich auch ziemlich schnell fündig, ein Kinderkleid fiel mir ins Auge, genau das richtige für meine jüngste Enkeltochter. Wir haben ein bisschen hin und her gehandelt und für einen kleinen „Mzunguaufschlag“ bekam ich das Kleid für umgerechnet 1, 50 ;- Euro. Die Frau hat sich gefreut und ich mich auch. Ein fantastisches Abendkleid begeisterte mich zusätzlich, aber ich wollte nicht in einen Kaufrausch verfallen, wann ziehe ich hier schon mal ein Abendkleid an. Im Bus fiel mir dann noch ein alter Massai auf, der einen Tirolerhut trug.

 

 Zuhause begann ich dann im Internet zum Thema Altkleider zu recherchieren und Sadat mit allen möglichen Fragen zu löchern.

 

Second-hand hat hier einen eigenen Namen: Mitumba.                                                                                                                                              Mitumba ist ein Kisuaheli-begriff  und bedeutet Ballen, Kleiderballen denn die Second-hand-Mode kommt in 50 Kiloballen, in Plastik eingewickelt, auf dem gesamten afrikanischen Kontinent, auf den Markt. Die Nachfrage scheint gigantisch, besonders in Ostafrika und der Umsatz erreicht im Jahr ca. 350 Milliarden Dollar. Zigtausende Container landen in den Häfen von Kampala, Mombasa oder Dar-es-Salaam.    Es gibt einige afrikanische Länder in denen der Handel mit Altkleidern aus Europa verboten ist und auch die ostafrikanische Union will  versuchen  diesen Handel zu unterbinden, da die Second-hand-Ware für die einheimische Textilindustrie ein Konkurrent darstellt, der nicht zu unterbieten sei, so ist jedenfalls die Argumentation. Tatsächlich tragen allein in Tansania ca. 90 % der Bevölkerung Mitumba und das gilt bei dieser Zahl nicht nur für die armen Leute. Mitumba ist so zu einem Lifestyle-Trend geworden.                                                                                          Es gibt andere Stimmen die meinen, nicht die Second-hand-Ware lege die Textilindustrie lahm, sondern die  Billigware aus China mit der wirklich niemand konkurrieren kann.                                                                                                                                                                                          Ich habe mir hier auch schon eine Jeans aus China geleistet und ehrlich H&M wirkt dagegen wie  Designermode. Die Qualität ist einfach mies. Die Altkleiderware aus Europa dagegen, besticht scheinbar mit guter Qualität und so hat sich Mitumba  zu einem eigenen Wirtschaftszweig entwickelt. Angefangen von Kleinhändlern, Näherinnen die die Klamotten gleich vor Ort abändern, Tagelöhnern, Transportunternehmen usw. Mitumba gibt so ca. 100000 Menschen Arbeit, also nicht Arbeit von der man besonders gut leben kann, sondern ein kleines Einkommen mit dem man irgendwie über die Runden kommt.                                                                                                                                                                     Wenn man geschickt verhandelt, kann man seine gesamte Familie für ca. 10 Euro einkleiden und die Klamotten bringen Abwechslung in den Kleiderschrank.                                                                                                                                                                                                                                  Es gibt Wirtschaftsanalysten die meinen, bei einem Einfuhrverbot von Second-hand-Ware würde es trotzdem Jahre dauern, bis sich die einheimische Textilindustrie erholt hätte, das gilt im übrigen nicht nur für Tansania. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass ein Einfuhrverbot die Second-hand-Ware aus den Straßen vertreiben würde, es gibt immer Mittel und Wege Gesetze zu umgehen. Warum der Präsident Herr John Magufuli nicht trotzdem die Textilindustrie z.B. mit Subventionen zu stärken versucht, verstehe ich nicht, aber solange lebe ich ja auch noch nicht hier. Es gibt hier ja schon viele kleine Schneidereien die Kleider herstellen, aber auch die können nur schwer mit der chinesischen Massenware mithalten.                                                                                                                                                                                  Auf jeden Fall haben mich diese riesigen Klamottenberge sehr nachdenklich gestimmt. Bei dem Anblick könnte man meinen, dass in Europa alle nackt herum laufen müssen, da alle Klamotten hier landen. Oder wird in Europa wirklich so gigantisch viel Kleidung gekauft und gleichzeitig in den Altkleidercontainern entsorgt, dass diese Berge hier entstehen können. Man muss dazu ja auch noch bedenken, dass viele Altkleider in Europa gleich geschräddert werden, einiges geht an die Kleiderkammern und vieles landet z.B. in der Ukraine.   Sadat fragt sich ein bisschen traurig,  ist Afrika denn der Müllhaufen für Europa und die USA, denn auch die entsorgen hier ihre Altkleider, außerdem noch alte Fahrräder, Fernseher, Kühlschränke usw.

Scheinbar wird aber in Europa auch ein wenig umgedacht und es entwickelt sich ein Second-hand-Trend der für nachhaltigen und bewussten Konsum wirbt.

 

Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, meine Scheu zu überwinden und hin und wieder auf den Metumba-Märkten zu stöbern, vielleicht kommt ja ein altes Kleidungsstück zurück zu mir, dass wäre doch wirklich zu lustig.



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Kommentare: 4
  • #1

    Diana v. Bohlen (Dienstag, 26 Juni 2018 10:19)

    interessant Dein Kommentar und die Gedanken, die Du Dir dazu machst !

    Vieles, was hier als Kleiderspende abgegeben wird, wird dort noch verkauft,aber es ist sicher besser,etwas dafür zu verlangen, weil sonst die einheimische Industrie keinen Markt mehr hat !

    viel Spaß beim stöbern und einen TOLLEN Fund wünscht Dir

    Diana ;)

  • #2

    Dorothea (Dienstag, 26 Juni 2018 14:54)

    Das sind so Gedanken, die ich nie gehabt habe,
    danke, dass Du mir durch Deinen interessanten und
    kritischen Bericht auch da die Augen geöffnet hast.
    Liebe Grüße aus der Ferne, Dorothea

  • #3

    Rebekka (Dienstag, 26 Juni 2018 21:54)

    Ja das wäre lustig wenn du eines wieder antriffst. Die Preise sind für uns unvorstellbar günstig .. aber das sind ja wirklich andere Bedingungen
    In Asien ist mir diese Vorliebe für europäische Kleidung auch aufgefallen, unser Guide da wollte unbedingt etwas von meinen Sachen statt sonst was.

  • #4

    Ulla Holbein (Sonntag, 01 Juli 2018)

    Hallo Elske,
    erst jetzt komme ich dazu ein paar Zeilen zuschreiben!...:)
    Hatte die letzte Woche sehr viel Stress, Termine ohne Ende!...
    Dein Bericht über Second-Hand ist mal wieder sehr ergiebig und interessant.
    Das ist mir absolut nicht neu, dass sehr viel Ware aus den Altkleidersammlungen Richtung Afrika geht.
    Und klar, ich kann sogar gut verstehen, dass sich "Mitumba" zu einem Lifestyle-Trend entwickelt, denn ich bin der Überzeugung, dass hier und allgemein in den europäischen Ländern wie ebenfalls in den USA oder auch annähernd ein jeder viel zu viel neue Kleidung kauft und wann will man das alles tragen? Von daher sind viele sehr schnell mit dem "Aussortieren" dabei und letztendlich sind das oftmals kaum getragene Stücke, die dann ein/zwei Jahre alt sind und bei guter Pflege "fast neuwertig" bei euch auf dem Wühltisch landen!...
    Hinzu kommt, es ist sicher auch eine ganz andere Mode, die allein deswegen reißenden Absatz findet!...
    Das Angebot ist reichlich und klar, solltest du irgendwann mal auf ein von dir abgelegtes stoßen (was ich kaum glaube), so würdest du ganz schön staunen! :))
    Dir/euch weiterhin eine gute Zeitung viel Spass beim "Stöbern!"
    Lieb Grüße Ulla