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Baustelle auf Sansibar



Seit vier Wochen arbeiten nun die Handwerker in unserem Haus, das einer Baustelle gleicht, Gemütlich, sieht anders aus.

 

Das obere Stockwerk war von unserer Vorbesitzerin nie fertig gestellt worden und befand sich seit Jahren im Rohbau. Hier sollen nun fünf Gästezimmer mit Badezimmern entstehen. Bisher konnte man nur mit einer äußerst wackligen Leiter in den ersten Stock gelangen, es musste also  unbedingt zuerst eine Treppe gebaut werden. Im unteren Stockwerk sollen noch zusätzlich zwei Zimmer ausgebaut werden und meine Küche soll ein völlig neues Gesicht erhalten. Dazu kam, dass ehemalige Handwerker, derart an Material gespart hatten, dass die Decke über der Küche unbedingt erneuert werden muss.

Für Abiola, den beauftragten Bauunternehmer, ist unser Umbau sein bisher größtes Projekt. Für sansibarische Verhältnisse ist er zuverlässig und hält sich mehr oder weniger an Terminabsprachen, in Europa würden wir diese Arbeitsmoral trotzdem nicht akzeptieren.                        Hier auf Sansibar ticken die Uhren anders,  man hört meist von allen möglichen Handwerkern, Beamten oder Menschen auf die man in irgendeiner Form angewiesen ist: badai (später) bado (noch nicht) oder auch kesho (morgen).

 

Vor Beginn der Arbeiten brachten LKWs Sand, Säcke mit Zement, Eisenstangen und Holz. An einem Dienstag war es dann endlich soweit und die ersten Fundis (Handwerker) samt Kibaruar (Handlanger) standen im Garten. Sie erhielten noch eine kurze Anweisung von Abiola und los ging es.

Sechs Tage in der Woche wird seit dem gesägt, gehämmert, Zement angerührt, Schutt geschleppt, laut geflucht und viel gelacht, alles Barfuß oder in Flipflops und natürlich ohne Helm. Die merkwürdigsten Konstruktionen entstehen, um darauf zu arbeiten. Mir war schon einige Male ganz schlecht vor Angst, aber toi, toi, toi, bis jetzt habe ich nur zwei kleiner Wunden versorgt.

 

 Unsere Fundis sind ein gut eingespieltes Team, fast alle kommen aus Pemba der Nachbarinsel von Unguja, zusammen mit Tumbatu bilden die drei Inseln Sansibar. Wir leben auf Unguja der größten Insel im Archipel, sagen aber einfach Sansibar.

 

Die Fundis arbeiten routiniert, jeder weiß was er zu tun hat. Bis jetzt wurde noch nicht ein Kilowatt Strom beim Umbau verbraucht.            Beton wir von Hand gemischt, ein echter Knochenjob den abwechselnd die Kibaruar verrichten, dazu stehen sie schon mal mit einer Schaufel bewaffnet in dem Matsch der die Haut extrem angreift. Junge Männer die eigentlich noch lange die Schulbank drücken könnten.                     Sie schleppen auch den anfallenden Schutt beiseite, meist in Eimern oder Säcken. Irgendwann kam ich auf die Idee, dass eine Seilwinde das ganze deutlich vereinfachen würde, der Vorschlag wurde rigoros abgelehnt, es ist nicht gut Arbeitskräfte einzusparen. 

 

Das Baumaterial ist teuer, die eigentliche Arbeitskraft dagegen billig. Abiola bezahlt seine Männer vergleichsweise gut, trotzdem bekommen sie nicht mehr als einen Euro die Stunde. Gearbeitet wird etwa 8 Stunden am Tag, nur der Sonntag ist frei. Von Arbeitsschutz und Sicherheitsmaßnahmen hält hier niemand etwas. Bemerkungen von mir dazu wurden meist nur mit einem Lachen quittiert. Genauso wenig ist meine Mithilfe erwünscht, es ist nicht üblich, dass die Auftragsgeber in irgendeiner Form mitmischen, wobei Sadat doch oft mit anfasst. 

 

Die Treppe war nach nur drei Tagen begehbar und ich glaube die Fundis waren stolz, als Sadat und ich sie gebührend begutachtet, ausprobiert und gelobt hatten.                                                                                                                                                                                                      Einige Fundis sind nur kurz hier, sie haben ganz spezielle Aufgaben, wie z.B. die Eisenstangen für die Treppe zurecht biegen, andere arbeiten nun seit vier Wochen hier, sie machen Scherze mit Mini und Kassim oder klönen mit Sadat. Sie freuen sich, wenn ich ihre Arbeiten Lobe und morgens werde ich immer sehr freundlich begrüßt. Abiola kommt jeden Abend vorbei um sich die Arbeiten anzuschauen und neue Anweisungen zu geben. Alles in allem, herrscht eine entspannte, fröhliche Atmosphäre.

In einem Haus, dass mit soviel menschlicher Arbeitskraft errichtet wird, muss einfach deutlich mehr Seele wohnen, als wir das in Europa gewöhnt sind, davon bin ich jedenfalls überzeugt.  

 

 In den ersten Tagen wurden wir noch hin und wieder von einem Regenschauer überrascht, so dass die Arbeiten ein wenig ruhen mussten. Die Regenzeit setzte in diesem Jahr deutlich später als gewohnt ein, brachte dann aber enorm viel Wasser, zeitweise schien Paje zu ertrinken, so dass wir unser Auto an manchen Tagen nicht bewegen konnten, die andauernde Feuchtigkeit ließ die Wäsche nur schwer trocknen, alles fühlte sich irgendwie klamm an, der Strand war meist menschenleer, Touristen lassen sich um diese Zeit nur selten sehen. Nun hat sich die Regenzeit erst einmal verabschiedet, tagsüber bei Sonnenschein steigen die Temperaturen stark an, die den Nächten kühlt es deutlich ab, ich ziehe häufig am Abend eine Strickjacke an.

 

Kurz nachdem die Umbauarbeiten begonnen hatten, begann der Ramadan. 30 Tage wird erst nach Sonnenuntergang gegessen und getrunken. Hier auf Sansibar verändert sich das Leben dadurch deutlich, Geschäfte schließen eher, der Bäcker verkauft nur am Abend Brot, die Fußballspiele am Nachmittag hören auf, die allgemeine Stimmung ist irgendwie gedämpfter. Die Schule ist nur für einige Stunden am Vormittag geöffnet, fängt dafür aber deutlich eher an.                                                                                                                                                            Ich würde bei dem Klima, ein hohes gesundheitliches Risiko eingehen, wenn ich den ganzen Tag nichts trinke also kam auch in diesem Jahr das Fasten nicht in Frage. Als Ausgleich konnte ich Geld an Menschen spenden, denen es finanziell nicht so gut geht, ein legitimes  Mittel um dem Ramadan zu entkommen.                                                                                                                                                                                                   Mini und Kassim sind eigentlich noch zu jung und müssten es noch nicht einmal versuchen, trotzdem waren beide entschlossen zu fasten.    In Kassims Klasse machten schon viele Kinder mit, in Minis Klasse nur sehr wenige. Mini beschloss nach einer Woche, es sei für ihn genug, Kassim hielt mit seinen 12 Jahren die gesamte Zeit, bis auf zwei Tage durch. An zwei Tagen klagte er über starkes Bauchweh, so dass ich ihm kurzer Hand das Fasten verbot und mit ihm die Vereinbarung traf, wenn es ihm wieder besser ginge, dürfte er weiter fasten.                         Kurz vor Sonnenuntergang warten alle gespannt darauf, dass der Muezzin das Essen und Trinken erlaubt, die Frauen sorgen also dafür, dass der Tisch pünktlich gedeckt ist. In vielen Familien ist es üblich, dass man sich in der Nacht so gegen 1 Uhr nochmal gemeinsam an den Tisch setzt um, eine Suppe oder dergleichen zu sich zu nehmen. Ich muss gestehen, dass ich diese Mahlzeit des Öfteren einfach verschlafen habe, meine Männer haben mir dies großzügig verziehen. Einige Frauen verdienen sich in der Zeit des Ramadan etwas dazu, indem sie Suppen für wenig Geld zum Verkauf anbieten. Kassim mag diese speziellen Suppen sehr gerne und lief nach dem Essen los um sie für das Nachtmahl zu kaufen.

 

Die Fundis hielten alle durch, obwohl es einige Tage mit brüllender Hitze gab. Den ganzen Tag bei den Temperaturen hart zu arbeiten und dabei auf jegliche Nahrungsaufnahme zu verzichten ist schon eine große Strapaze und so war es nicht verwunderlich, dass die Stimmung gegen Ende des Ramadan deutlich gedrückt war.

 

 Für die Kinder gab es erneut Schulferien, ein Glück für uns, konnten wir sie doch zu ihrer Tante in die Stadt schicken.                                        Drei Tage vor dem Zuckerfest wurde die Decke aus unserer Küche komplett entfernt.                                                                                                  Mal abgesehen davon, dass wir Zurzeit ohne den Luxus einer Küche auskommen müssen, liegt wirklich überall Schutt herum, Sadat und ich begnügen uns mit unserem Schlafzimmer in das wir auch kurzer Hand den Kühlschrank einquartiert haben. Morgens kann ich mir einen Kaffee kochen, der Herd wird dazu kurz aufgedeckt und ist ansonsten meist von einer Plane abgedeckt. Manchmal knirscht Staub zwischen den Zähnen, also im Moment wirklich kein Ort für die Jungs.                                                                                                                                                      Wir sind der Tante sehr dankbar, dass sie die Jungs für einige Tage bei sich aufgenommen hat und sogar mit ihnen vor dem Zuckerfest einkaufen war. Es ist üblich, die Kinder neu einzukleiden. Wir konnten ihr Geld geben und die Gute hat alles andere geregelt.

Sadat und ich verbrachten das Zuckerfest eher untypisch, in dem wir die Ruhe genossen und einfach nichts taten. Wir wurden zusätzlich von unseren Nachbarn mit Kuchen verwöhnt.

 

 

Jetzt hoffen wir, dass in den nächsten Tagen die Decke über der Küche gegossen wird und meine Vorstellungen für die Einrichtung umgesetzt werden. Damit ist der Umbau zwar noch nicht abgeschlossen, aber wir sind dann ein großes Stück weiter. Sadat und ich sind mittlerweile auch schon dabei, uns diverse Möbeltischler anzuschauen die uns Betten und der gleichen zimmern können. Wir wollen möglichst viel hier auf Sansibar herstellen lassen und auf Importe aus Europa weitestgehend verzichten. 

 

In meinem nächsten Bericht werde ich Euch natürlich über unseren Umbau auf dem Laufenden halten, ich bin sicher, dass ich wieder einiges Spannende zu berichten weiß.



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Kommentare: 7
  • #1

    Norbert Kappenstein (Freitag, 07 Juni 2019 15:23)

    Hallo Elske,
    das ist wieder mal sehr spannend was du hier schreibst.
    Ich wünsche Euch weiterhin viel Glück beim Umbau.
    LG Norbert

  • #2

    Gerlinde (Sonntag, 09 Juni 2019 22:42)

    Liebe Elske,
    Dein Bericht über die Baustelle war wieder interessant zu lesen. Gutes Gelingen weiterhin!

    Herzliche Grüße
    Gerlinde

    Herz

  • #3

    Himmelsstürmer (Dienstag, 11 Juni 2019 17:32)

    Hallo Else,
    mit Freude lese ich, dass es los geht mit dem Umbau und in einen anderen Lebensabschnitt.
    Ich wünsche viel Erfolg und ich bin gespannt auf Neues!
    Herzl. Grüße, Ulli

  • #4

    Meikemarie (Montag, 05 August 2019 08:35)

    Guten Tag, Elske,
    gemeinsam mit meiner Schwester mache ich derzeit Ferien auf Sansibar - wir hatten uns auf einen schönen Urlaub gefreut - dass es so ein absoluter Traum werden würde hätten wir nicht gedacht.
    Eher durch Zufall habe ich bei meinen Internet-Recherchen zum Leben auf Sansibar Deinen Blog gefunden und lese ihn nun mit großem Interesse. Vielen Dank für all diese interessanten Berichte! (Als zwei deutsche Lehrerinnen mittleren Alters bewundern wir Deinen Mut und Deine Energie, in diesem völlig anderen Teil der Welt ein ganz neues Leben zu beginnen. Alles alles Gute weiterhin!)

  • #5

    Gerlinde (Donnerstag, 08 August 2019 13:16)

    Liebe Elske,
    was macht Eure Baustelle? Ist schon ein Ende der Arbeiten in Sicht?
    Herzliche Grüße
    Gerlinde

  • #6

    dorismundt8845@yahoo.de (Donnerstag, 03 Oktober 2019 18:18)

    ich habe dir schon über deine mailadresse geschrieben, lese jetzt erst deine Berichte über Umbau, Ausbau, Aufbau auf Sansibar. Wenn ich das nächste Mal in Tansania sein werde, voraussichtlich Marz April 2020, dann komme ich nach Sansibar, will alles mit eigenen Augen sehen. Vielleicht hast du zwischenzeitlich Zeit, meine Projektbericht zu lesen und über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

    Herzliche Grüße Doris (Mundt) aus Köln

  • #7

    Ursula (Sonntag, 06 Oktober 2019 11:08)

    Liebe Elske,
    Hoffentlich klappt alles und läuft nach deinen Wünschen!
    Ich drücke dir alle Daumen, viel Energie wünsche ich dir auch,
    LG
    Ursula/ FunX